„Wir sind eine Kunsthochschule, kein Museum.“

Am 09.02.2023 eröffnen die Open Studios. Wolfgang Ellenrieder, Professor an der HBK Braunschweig und Leiter einer Fachklasse, erklärt was die Besucher erwartet und wo sie sich überraschen lassen müssen.

Herr Prof. Ellenrieder, an der HBK gibt es zwei große Ausstellungen von Studierenden jedes Jahr - den Rundgang und die Open Studios. Das ist für Außenstehende nicht ganz einfach zu verstehen. Was bekommt man bei dem einen und was bei dem anderen zu sehen?
Diese Zweiteilung gibt es seit drei Jahren und ist immer noch in der Erprobung. Früher hatten wir im Sommer zwei Wochen Diplom-Prüfungen. Nach den Diplom-Prüfungen gab es die Klassen-Rundgangs-Ausstellungen der Freien Kunst als Beitrag zum Rundgang der gesamten HBK. Dadurch war die Wahrnehmung der Diplom-Präsentationen sehr gering. Vormittags war die Präsentation, die sofort wieder abgebaut werden musste, weil dann der Nächste den Raum brauchte. Open Studios war die Idee, dies zu entzerren. Beim Rundgang werden jetzt nur noch die Diplome gezeigt, so können wir jedem Diplomanden ein halbes Atelier oder noch mehr Platz geben, in der Montagehalle oder in anderen Räumen der Hochschule. Die Open Studios sind die Präsentationen der Klassen der Freien Kunst.

Was passiert bei den Open Studios?
Die Studierenden der Freien Kunst müssen ein Mal pro Jahr präsentieren, was sie in diesem Zeitraum an künstlerischen Arbeiten gemacht haben, das ist sozusagen Pflichtprogramm. Diese Präsentation findet jetzt nicht mehr am Ende des akademischen Jahrs statt, sondern nach dem Wintersemester - zu den Open Studios. Open Studio kann man auch so verstehen, wie der Begriff es sagt, nämlich, dass man sein Studio öffnet, man seine Arbeitssituation und seinen Arbeitsplatz zeigt. Trotzdem werden natürlich auch Arbeiten präsentiert. Und da ist es spannend, wie sich die Klassen jeweils verständigen, was in welcher Form gezeigt wird.

Wie läuft diese Entscheidungsfindung ab?
Ich zum Beispiel lasse die Studierenden erst einmal diskutieren. Ich bin dann eher als Moderator gefragt. Die letzten Jahre gab es auf diese Weise unterschiedliche Vorschläge, wie etwa, die Ausstellung thematisch zu fassen, was nicht immer sofort auf Gegenliebe gestoßen ist. Wir hatten zum Beispiel vor drei Jahren eine Ausstellung, die hieß Solo-Show. Da haben die Studierenden Einzelpräsentationen von jeweils 45 Minuten gemacht. Ein anderes Mal haben wir uns auf ein Formatverhältnis geeinigt, in dem Fall war es das Verhältnis von 1 zu 1,24. Das hat sehr gut funktioniert, man hatte sofort so eine Geschlossenheit, obwohl es eine sehr große Bandbreite unterschiedlich großer Bilder gab. Es sind auf jeden Fall immer interessante Prozesse, die einsetzen. Die Studierenden müssen lernen, den Widerstreit auszuhalten und am Ende zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen. Man möchte sich als Einzelner ja in den Vordergrund drängen. Wenn man aber auf die eine oder andere Arbeit verzichtet, wird unter Umständen die Ausstellungspräsentation besser. Das Spannende ist: Da die Entscheidungsfindung offen ist, ist auch das Ergebnis jedes Jahr ein anderes.

Welche Funktion haben Ausstellungen in der Lehre?
Die Ausstellungen spielen meiner Meinung nach eine wichtige Rolle in der Lehre. Neben den eben beschriebenen Prozessen, bei denen man viel lernt, ist es eine wichtige Erfahrung, die eigenen Arbeiten in einem neuen Kontext zu sehen, im Vergleich zu anderen. Und man muss präzise sein, es gibt einen Eröffnungstermin und die Plakate müssen vor der Ausstellung fertig sein, nicht hinterher. Das sind Dinge, die erst einmal ganz selbstverständlich klingen, manche müssen aber diese Prozesse erst selbst durchlaufen. Mit anderen Worten: Wenn man den Zug verpasst, ist er abgefahren und kehrt nicht um. Wenn man etwa einem Museum kein Material für eine Ausstellungsankündigung liefert, gibt es keine Pressearbeit und dadurch nur wenig Resonanz.

Greifen Sie als Lehrender manchmal ein und sagen zum Beispiel, dass eine Arbeit noch nicht gut genug ist, um präsentiert zu werden?
Es passiert manchmal, dass Studierende zu spät anfangen oder mit einem für sie neuen Medium nicht klar kommen und dann ins Schlingern geraten. Aber das ist, neben der Reflexion der eigenen Arbeiten in einem neuen Kontext, ein ganz wichtiger Lerneffekt. Und wir arbeiten ja jahrgangsübergreifend. Unsere Fachklassen sind im Prinzip Gruppen von Studierenden aus verschiedenen Jahrgängen. Diese Struktur fördert den Erfahrungsaustausch und die Diskussionskultur. Die Studierenden geben sich gegenseitiges Feedback und unterstützen sich auch bei praktischen Dingen, wie etwa beim Aufspannen von Rahmen. Scheitern gehört bei diesem Prozess aber natürlich auch dazu. Wir sind eine Kunsthochschule und kein Museum.

Jetzt ist ja Braunschweig nicht Berlin, London oder New York - ist es von Nachteil, dass die Kunstszene hier nicht so groß ist?
Überhaupt nicht. Die Studierenden bekommen hier sehr viel geboten. Von der Hochschule, aber auch von den Institutionen um uns. Niedersachsen ist ein wenig eine Kunst-Diaspora. Aber dafür arbeiten alle Institutionen aus dem Kunstbereich viel enger zusammen, um wahrgenommen zu werden. Es gibt hier zum Beispiel viele Museen, die in dafür konzipierte Ausstellungen Arbeiten unserer Studierenden zeigen - das ist nicht selbstverständlich.

Wolfgang Ellenrieder ist seit 2010  Professor für Malerei und Zeichnung an der HBK Braunschweig. In seinen Bildern und raumgreifenden Arbeiten treibt er ein irritierendes Verwirrspiel im Beziehungsgeflecht von Wirklichkeit, dem Abbild von Wirklichkeit und dem kunstgeschichtlichen Kontext. Die Bedingungen, der Bezug und die Möglichkeiten die Malerei bietet, stehen dabei im Zentrum der Untersuchungen. Er lebt und arbeitet in München und Braunschweig.

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