Intim(id)ate Affects

Der Workshop „Intim(id)ate Affects“ widmet sich dem Verhältnis zwischen Affekten, Intimität und Medien. Dabei rücken Zonen der Verstrickung zwischen Fiktionalität und Alltäglichkeit, Mensch und Technik, Archiv und globale Geschichte in den Fokus. Durch unterschiedliche Methoden und thematische Schwerpunkte wird das Spannungsverhältnis zwischen Affekten, Intimität und Medien in zweierlei Richtungen befragt: Einerseits nach Potentialen und Konsequenzen, die sich für Theorie und Wissensproduktion ergeben. Andererseits nach Vorannahmen, Fehlschlüssen und Praktiken bei der Herstellung von Medientechnologien, die gezielt auf das Sensibilitätsvermögen wirken.
Der Workshop bildet einen Knotenpunkt zwischen drei Lehrveranstaltungen des Instituts für Medienwissenschaft der HBK Braunschweig:
„Intimität“ (Ulrike Bergermann), „Affekte / Gender / Begehren. Einführende Perspektiven in queere und gendertheoretische Affekttheorien“ (Franzi Wagner) und „Affekte / Medien / Macht. Eine Einführung in Affekttheorien“ (Irina Raskin).

Wir bitten alle Teilnehmenden um einen tagesaktuellen Corona-Test und um das Tragen einer FFP2-Maske.

Ort: HBK Braunschweig, Aula

Anmeldung: Um eine formlose Anmeldung für den Workshop wird gebeten bis zum 10. Juni 2022 bei: i.raskin@hbk-bs.de

Programm:

10:00 Begrüßung

10:15 – 11:30: Vortrag und Diskussion
Andrea Seier: Life Genres: Zur Fiktionalität des Alltäglichen im Dokumentarfilm
Moderation: Heike Klippel

11:45 – 13:15: Workshop
Anja Breljak, Vanessa Oberin: Sorgende Medien: Zwischen Affekt, Empathie und Care - Teil I
Moderation: Irina Raskin, Franzi Wagner

15:00 – 16:30: Workshop
Anja Breljak, Vanessa Oberin: Sorgende Medien: Zwischen Affekt, Empathie und Care - Teil 2
Moderation: Irina Raskin, Franzi Wagner

16:45 – 18:15: Vortrag und Diskussion
Anja Sunhyun Michaelsen: Medien schwieriger Vergangenheit im postkolonialen Archiv
Moderation: Ulrike Bergermann

18:15 – 18:30: Kurze Abschlussrunde


Abstracts:

Andrea Seier (Universität Wien/FU Berlin)
Life Genres: Zur Fiktionalität des Alltäglichen im Dokumentarfilm
Im Zentrum meines Beitrags steht eine Auseinandersetzung mit Lauren Berlants Begriff der Life Genres, der eine (aus der Sicht der Film- und Medienwissenschaft interessante) Alternative zum soziologischen Begriff der sozialen Norm darstellt und auf eine enge diskursive und affektive Verknüpfung zwischen filmischer und außenfilmischer Wirklichkeit verweist. Sowohl in filmischen Erzählungen als auch im Alltag der Zuschauer_innen erzeugen Genres Erwartungshaltungen, Empfindungen und Wahrnehmungen. Sie bündeln affektive Erwartungen zu einer ästhetischen Form, die das Wiedererkennen dieser Form positiv unterstützt und eine performative Wiederholbarkeit garantiert. Nicht zuletzt lässt sich auch das komplexe Verhältnis zwischen Diskurs und Affekt anhand des Begriffs näher bestimmen, was ich im zweiten Teil meines Vortrags exemplarisch anhand des Dokumentarfilms And-Ek-Ghes (Eines Tages) von Philipp Scheffner und Colorado Velcu (D 2016) zeigen werde. Den Hintergrund dieser Auseinandersetzung bilden Lauren Berlants Thesen zum gegenwärtigen cinema of precarity, die sie in ihrem Buch „Cruel Optimism“ (2011) entwickelt hat. Aus ihren in diesem Buch versammeltem Filmanalysen folgert Berlant, dass sich im sogenannten Kino des Prekären Szenarien sozialer Aufstiege, die auf linearen, planbaren Entwicklungsschritten basieren, abnehmen und tendenziell von Logiken des Situativen, der Zirkulation und Stagnation (impasse) und Szenen einer tendenziell unverfügbaren Gegenwart abgelöst werden.

Andrea Seier ist Professorin für „Kulturgeschichte audiovisueller Medien“ am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien, derzeit Gastprofessorin an der FU Berlin. Sie hat Film- und Medienwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum studiert und dort im Jahr 2005 mit einer Arbeit über die performative Konstitution von Gender und Medien promoviert. Ihre Habilitation erfolgte im Jahr 2013 an der Universität Wien mit der Arbeit „Mikropolitik der Medien“. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Mediale Technologien des Selbst, Gender & Medien, Szenen und Narrative sozialer Differenz, Theorien der Schwäche (Betroffenheit, Passivität). Jüngste Publikationen: Tägliches Überleben: Armut & prekäres Leben in bilddokumentarischen Formen, in: Groß, Bernhard/Dirk, Valerie: Alltag: Ästhetik, Geschichte und Medialität eines Topos der Moderne, Berlin, S. 38-58; Wildlife among us. Gender and Nature Relations in Nicolette Krebitz’ Wild. In: Susanne Lettow/Sabine Nessel (Hg.): Ecologies of Gender. Contemporary Nature Relations and the Nonhuman Turn. London/New York: Routledge (i.Dr.).

Anja Breljak und Vanessa Oberin (ZeM Potsdam)
Sorgende Medien: Zwischen Affekt, Empathie und Care
Galten Einfühlung und Fürsorge lange Zeit als genuin menschliche – oft Frauen zugewiesene – Tätigkeiten, ist in den letzten Jahren eine zunehmende Delegation dieser an Maschinen zu beobachten. Während einerseits die Sensibilität von Maschinen für menschliche und tierische Emotionen gesteigert werden soll, dienen Technologien andererseits als Enhancement für die menschliche Sensibilität, indem sie sicht- und fühlbar machen, was zuvor als unverfügbar galt. Unter den Stichworten „Care“ und „Empathie“ nimmt dieser zweiteilige Workshop Technologien wie Pflegeroboter, smarte Assistenzsysteme und immersive Medien in den Blick, an denen sich die Entwicklungen des "Affective Computing" und der "Emotional AI" beispielhaft diskutieren lassen. Welchen Zugriff erlaubt das intime Wissen von körperlichen und emotionalen Zuständen anderer? Auf welchen Prämissen bauen die sorgenden Medien auf? Welche Fehlannahmen und Vorurteile schreiben sie fort, welche Chancen halten sie womöglich bereit? In Modus des Worldcafés diskutieren wir unterschiedliche Beispiele von „sorgenden Medien“ und stellen diese in den Kontext affekttheoretischer Debatten.

Anja Breljak hat Philosophie und Ökonomie in Berlin, Paris und Sarajevo studiert. Zurzeit ist sie Doktorandin am Forschungskolleg SENSING: Zum Wissen sensibler Medien am ZeM, dem Brandenburgischen Zentrum für Medienwissenschaften in Potsdam. In ihrem Dissertationsprojekt setzt sie sich mit der Gewaltgeschichte der Empfindlichkeit auseinander. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Affekttheorie, Körper- und Mediengeschichte, digitale Gesellschaft und performative Kritik. Jüngste Buchveröffentlichung: Rainer Mühlhoff, Anja Breljak, Jan Slaby (Hg.) (2019): Affekt Macht Netz. Auf dem Weg zu einer Sozialtheorie der Digitalen Gesellschaft, transcript (Open Access).

Vanessa Oberin studierte Kunstwissenschaft und Anglistik an der HBK und TU Braunschweig sowie im Master der Europäischen Medienwissenschaft an der Universität Potsdam, den sie 2018 mit einer Arbeit über Berührung und Medientechnologien abschloss. Seit Winter 2018 ist sie Doktorandin des Forschungskollegs SENSING: Zum Wissen sensibler Medien am ZeM, dem Brandenburgischen Zentrum für Medienwissenschaften in Potsdam. In ihrem Dissertationsprojekt beschäftigt sie sich mit Medienästhetiken der Einfühlung und Affektpolitiken der Empathie. www.sensing-media.de

Anja Sunhyun Michaelsen (HBK Braunschweig)
Medien schwieriger Vergangenheit im postkolonialen Archiv
Zwischen Anfang der 1970er bis Mitte der 1990er Jahre wurden in Westdeutschland um die 1.300 südkoreanische Kinder adoptiert. In meinem Projekt rekonstruiere ich diese wenig bekannte Migrationsgeschichte anhand eines postkolonialen Archivs offizieller und inoffizieller Dokumente. Es geht mir dabei nicht so sehr um eine lineare Narration vergangener Ereignisse; stattdessen interessieren mich insbesondere die Störungen im Prozess der Recherche, die häufig mit den Eigenlogiken von Archiven zu tun haben. Mit Jennifer Doyle können „Schwierigkeiten“ darauf hinweisen, dass ein Gegenstand konventionelle disziplinäre oder kategorielle Zuordnungen unterläuft und/oder komplizierte Affekte erzeugt. Die Schwierigkeiten, die sich in der Recherche einstellen, regen dazu an, über mediale, erkenntnistheoretische und soziale Bedingungen von Migrationshistoriografie im (west-)deutschen Kontext im Allgemeinen nachzudenken. Ich erläutere Fragestellung und Vorgehen des Projekts anhand von Beispielen aus dem Archiv.

Dr. Anja Sunhyun Michaelsen, Medien- und Kulturwissenschaftlerin, Studium der Gender Studies und Neueren deutschen Literatur in Köln, Berlin und Montreal, Promotion in Medienwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. 2018-2020 Postdoc Fellow am ICI Berlin Institute for Culture Inquiry, 2020 Vertretungsprofessur an der Universität Wien, derzeit Postdoc an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, gefördert von der VolkswagenStiftung.

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Alle Tagesaktuell Laufend

Art der Veranstaltung

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