Vanitas als Wiederholung

Unstrittig ist, dass von einer Wiederholung des Vanitas-Motivs in den Künsten der Gegenwart die Rede sein kann. Welche Gründe sich für die Rekurse auf ein aus dem Altem Testament stammenden und der Frühen Neuzeit variierten Motivs finden lassen, ist Gegenstand eines von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten, in Kooperation von Kunstwissenschaft der HBK Braunschweig und Literaturwissenschaft der Universität Hamburg durchgeführten Projekts.
Im Ergänzung zu der bislang in diesem Rahmen entstandenen Forschung, konzentriert sich die vom 6. bis 7. Mai 2021 an der HBK Braunschweig stattfindende virtuelle Tagung auf die Engführung einer seit längerem in den Künsten offensiv praktizierten, aber in Philosophie, Psychoanalyse, Literatur- und Kunsttheorie ganz unterschiedlich diskutierten Wiederholung. Lässt sich die stets mit Differenzen, mit Inversionen, Re-Semantisierungen oder auch Missverständnissen einhergehende Wiederholung der Vanitas mit Problemen der Gegenwart begründen? Macht sie, wie Benjamin vermutete, das Unerfüllte sichtbar, lässt sie, mit Derrida und Deleuze gedacht, nun vernehmen, was noch nicht gesagt wurde, entfaltet sie also in der Gegenwart ein in der Vergangenheit nur virtuell Existierendes und ist damit Voraussetzung für das Neue? Ist Wiederholung, psychoanalytisch gewendet, die Wiederkehr des Verdrängten und wird sie, mit Blick auf Butler, sogar zur Voraussetzung vom Verhandeln eigener Identität?
Aber was wäre dieses Verdrängte, Marginalisierte, Noch-nicht-Gehörte oder Virtuelle und welche Facette der Identität könnte mit der Wiederholung der Vanitas ausgehandelt werden?
Um diese Fragen im interdisziplinären Dialog zu erörtern und neue Antworten zu entwerfen, werden auf der Tagung die unterschiedlichen Perspektiven zusammengeführt.
Konzeption: Prof. Dr. Victoria von Flemming (Braunschweig)
Leitung: Prof. Dr. Victoria von Flemming (Braunschweig), Prof. Dr. Claudia Benthien (Hamburg), Julia Catherine Berger, M.A. (Braunschweig)
Allgemeine Informationen zum Forschungsprojekt "Vanitas in den Künsten der Gegenwart"
Programm:
DONNERSTAG, 6. MAI 2021
9:30–9:45 Uhr Einführung Victoria von Flemming & Claudia Benthien
POTENZIALE DER WIEDERHOLUNG
9:45–10:30 Uhr: Emil Angehrn (Philosophie): Zwischen Nichtigkeit und Erfüllung. Die zweifache Verweisung zwischen Vanitas und Wiederholung
10:45–11:30 Uhr: Kathrin Busch (Philosophie): Vanitas & Virtuelles. Zum Werdenspotential der Wiederholung
11:45–12:30 Uhr: Joachim Küchenhoff (Psychoanalyse): Verluste zwischen Verzweiflung und Transformation – Zur Psychoanalyse der Wiederholung und ihrer Potentiale
13:30–14:15 Uhr: Friederike Wappler (Kunstwissenschaft): Gespenstische Wiederkehr. Über Arno Gisingers fotohistoriografisches Projekt `Walter Benjamin im Exil. Konstellationen`
STRUKTUR UND TRANSFORMATION
14:30–15:15 Uhr: Victoria von Flemming (Kunstwissenschaft): Douglas Gordon: The Vanity of Allegory
15:30–16:15 Uhr: Antje Schmidt (Literaturwissenschaft): ‚Wiese sein‘. Vanitas und melancholische Naturbetrachtung in der Gegenwartslyrik
Die Tagung im Online-Archiv (Aufzeichnung von Donnerstag, 6. Mai)
FREITAG, 7. MAI 2021
9:30–10:15 Uhr: Johanna Zorn (Theaterwissenschaft): Ad infinitum? Zur Korrelation von Unerschöpflichkeit und Befristung
10:30–11:15 Uhr: Sabeth Buchmann (Kunstwissenschaft): Endliche Wiederholung. Zum Topos der Infrastruktur in zeitgenössischer Kunst
ANEIGNUNGEN – ZUSCHREIBUNGEN
11:30–12:15 Uhr: Mayumi Kagawa (Kunstwissenschaft): Kaiser und Vanitas: Nobuyuki Ōuras Lithographie-Serie «Perspektive tragend»
13:30–14:15 Uhr: Madoka Yuki (Kunstwissenschaft): Vanitas in Japan? Kirschblüte in der zeitgenössischen Fotografie
14:30–15:15 Uhr: Michaela Ott (Philosophie): Wiederholung, Virtualität, Dividuation
Die Tagung im Online-Archiv (Aufzeichnung von Freitag, 7. Mai)